Graphik und CAD/CAM

Selbst Heimcomputer aus dem Westen wie der Commodore 64 sind mit einem Graphik- und Soundchip ausgerüstet. 1984 wird der Apple Macintosh mit graphischer Bedienoberfläche und Maus vorgestellt. Multimedia-Maschinen mit 32/16-Bit-Technik wie der Amiga und der Atari ST sind auch für Privatpersonen erschwinglich. Für Unternehmen gibt es potente Workstations.

Die Graphikfähigkeiten der DDR-Rechner sind hingegen überschaubar. Wohl ist CAD/CAM das Schlagwort, um den Nutzen von Computern in den Medien der DDR hervorzuheben: Computer-aided Design and Manufacturing, Entwurf und Fertigung mit Hilfe von Computern. Doch schon für CAD mangelt es an allem: an 32-Bit-Rechnern mit hochauflösender Graphik, an Farbbildschirmen, an leistungsfähigen Plottern und an geeigneter Software. Bis zum Ende der DDR gibt es in vielen Büros nicht einmal einen Computer für Textarbeiten. Sogar Wolfgang Schneider, im Robotron Büromaschinenwerk Sömmerda für das Aussehen von Rechnern wie dem PC 1715 und dem EC 1834 verantwortlich, zeichnet mit der Hand.

Peter Salomon erinnert sich: "Vor allem die anfangs nicht ausreichende Hardware war ein großes Hindernis. Ein- und Ausgabegeräte fehlten in der für CAD notwendigen Qualität. Auch der für teures Geld und nur über langwierige Bilanzierungsverfahren vielleicht erhältliche Farbmonitor K7226 hatte eigentlich nicht die für CAD notwendige Auflösung. Es wurde dort eine normale Farbbildröhre aus der Serienproduktion des Werks für Fernsehelektronik eingebaut. Zwar wurden zum Ende der achtziger Jahre noch Untersuchungen angestellt, ob mit der vorhandenen Technologie auch höherauflösende Bildröhren und auch solche mit Flat Screen hergestellt werden könnten. Durch den Preisverfall auf internationalen Märkten, der geringen Stückzahl für den DDR-Bedarf und der Wende wurde dieses Thema nicht weiter bearbeitet. CAM wurde zwar im Zusammenhang mit CAD reichlich verwendet, aber bei weitem noch weniger eingesetzt als CAD. Mir ist keine Maschine bekannt, die damals schon - wie heutzutage üblich - direkt von einem CAD/CAM-Programm automatisch gesteuert werden konnte."

Gleichwohl: Es gibt CAD-Systeme in der DDR, und sie werden in manchen Betrieben genutzt, auch wenn oft nur auf niedrigem Niveau wie 2D-Entwürfe in Schwarzweiß, die im besten Fall als Arbeitsanweisung für eine steuerbare NC-Maschine auf Lochkarte gedruckt werden.

Das erste CAD-System der DDR ist der "Arbeitsplatz für Konstrukteure und Technologen" AKT 6454 von Robotron Dresden. Er basiert auf dem 16-Bit-Rechner K 1630, flankiert von Magnetbändern, Magnetplatten, mehreren PC 1715 und einer Software wie das (westliche) Standardprogramm AutoCAD. Eingesetzt wird er zum Beispiel für den Entwurf von Maschinenteilen und die Berechnung von zweidimensionalen Strömungsmodellen. Die Zeichnungen entstehen an einem Digitalisierungsgerät mit einer Arbeitsfläche von bis zu A0, das mit einem elektrischen Stift oder einer Art Maus bedient wird.

In kleinen Auflagen kommt ein rundes Display für Vektorgraphiken aus Ungarn zum Einsatz, das sich wie heutige Touchscreens mit einem Stift bedienen lässt. Dazu wird ein passender Computer zum Ansteuern der Graphiken und zum Speichern der Bilddaten verwendet. Der VEB Kombinat Umformtechnik "Herbert Warnke" Erfurt etwa setzt diese Kombination ein, um Kurvenscheiben zu berechnen und zu fertigen. Als Rechner dient ein betagter EC 1011 aus Ungarn, immerhin mit 1 Megabyte RAM und einer 50 Megabyte großen Festplatte.

Für ein zeitgemäßes 3D-Design erhält Robotron Ende 1985 den Auftrag, ein 32-Bit-System auf der Basis der VAX-Familie von DEC zu entwickeln. Zwei Jahre später ist der K 1840 in der Größe einer Anbauwand serienreif. Bis 1990 werden rund 220 Systeme verkauft - für je 1,9 Millionen Mark.

Eine günstigere Lösung ist es, Bürocomputer wie den A 5120 und den A 7150 mit einer Graphikkarte zu versehen. Typischerweise steuert sie zwei Bildschirme an: einen für die Bedienungen des Computers und der Software, einen für das reine Darstellen der Graphik. Als Eingabegerät dient ein Tablett mit Stift, zur Ausgabe ein (A3-)Drucker oder ein Plotter. Verwendet wird unter anderem das Programm GEDIT für 2D-Konstruktionen in der Mechanik.

Bereits 1979 startet die Schuhfabrik Weißenfels das Projekt Grafis für den computergestützten Entwurf von Schuhformen, um sie für spätere Modelle zu speichern, leicht auf unterschiedliche Größen anzupassen und zu Papier zu bringen. Mitte der achtziger Jahre wird das System auf einen normalen (West-)PC umgestellt mit einem A3-Nadeldrucker und einem Plotter eingesetzt; auch Lochkarten für Steuersignale lassen sich drucken. Grafis wird noch heute weiterentwickelt - freilich nun für Windows-PCs.

Für viele Betriebe und Einrichtungen ist Technik aus dem Westen die einzige Möglichkeit, um überhaupt graphisch zu arbeiten. Selbst die Bauakademie der DDR verwendet zwei Commodore 64, die man für wenige hundert DM erhält.

So überrascht es nicht, dass Stefan Paubel, Leiter des auf Westtechnik spezialisierten Computerklubs im Haus der jungen Talente Berlin, eines Tages einen Anruf von einem Kulturoffizier der Nationalen Volksarmee erhält:

"Er lud mich zu einer Vorführung meiner Computer ein. Er wusste, was das für Geräte waren - Commodore 64 und Amiga 500. Zum verabredeten Termin wurde ich mit meiner Technik vom Haus der jungen Talente abgeholt. Es ging in ein Waldgebiet südlich von Berlin. Dort war ein Panzerregiment. In einem kleinen Saal führte ich vor ungefähr fünfzig Soldaten und Offizieren meine Programme vor, und es wurde darüber diskutiert. Das passierte zweimal. Beim dritten Mal wurde ich zur Führung der Luftverteidigung nach Berlin Schönefeld gebracht. Dort waren nur Offiziere bis in höhere Dienstränge anwesend. Vorher hatte man mich gebeten, besonders Kriegsspiele und Simulationen vorzuführen. Das war zum Beispiel F/A-18 Interceptor auf dem Amiga. Dort muss ein Kampfflugzeug von einem Flugzeugträger gestartet und wieder auf ihm gelandet werden. Für 1988 mit einer unglaublichen Grafik. Man brachte mich wieder zurück. Jedes Mal gab es ein Honorar."

Auch Jochen Förster ist einer der Glücklichen, die in der DDR Zugang zur Traummaschine Amiga haben. Sein Vater ist Designer, und nicht irgendeiner. Er arbeitet für das zentrale Entwicklungsbüro des Amtes für Industrielle Formgestaltung. Es entwirft Produkte, beginnend beim Kugelschreiber über Bohrmaschinen, Heckenscheren, Waffen bis zu größeren Maschinen für die Produktion und gar kompletten Industrieanlagen. Mit Tusche und Pinsel wäre das sehr aufwendig; und vor allem Korrekturen und Varianten wären kaum denkbar. So kann er zum Visualisieren auf einen Amiga 1000 von Commodore zurückgreifen, der auch im Westen Stand der Technik ist. Um 1987 erfolgt der Umstieg auf einen Amiga 2000, mit Brückenkarte zur PC-Kompatibilität, 20 MB großer Festplatte und Farbmonitor. Die Ausrüstung wird über die KoKo besorgt und kostet rund 60.000 Mark. Irgendwie landet das Schmuckstück am Embargo vorbei in Dresden. Der Rechner arbeitet mit Deluxe Paint, einem beliebten Graphikprogramm (mit dem auch Spiele wie "Monkey Island" entstehen). Praktischerweise steht das Gerät zu Hause, und so kann sich Jochen Förster selbst an Animationen versuchen. Nach und nach kommen auch einige Spiele sowie das Musikprogramm Sonix ins Haus. Dem Amiga bleibt er treu: "Nach der Wende ging natürlich alles einfacher. 1991 habe ich mir statt eines üblichen PCs einen Amiga 500 vom ersten Lehrgeld geholt. Kontakte hatte ich da noch keine, aber Vaters Spiele liefen darauf ja schon mal." Heute betreut er die Community Amiga-Dresden.de.

Computerkunst

Auf den Geräten von Commodore und Atari entwickelt sich eine neue Kunstform: Selbstablaufende Animationen, sogenannte Demos, erzielen mit möglichst wenig Speicherplatz spektakuläre Ergebnisse. Sie werden bewundert, getauscht und auf großen Veranstaltungen präsentiert. Das schwappt in den Osten; durch Demo-Gruppen wie Code Killers G.D.R. (deren Arbeiten heute auf YouTube zu finden sind).

Aber auch an DDR-Rechentechnik versuchen sich Hobby-Programmierer und professionelle Künstler mit bildender Kunst. Teilweise werden Bilder digitalisiert, teilweise am Computer gezeichnet; besonders beliebt ist jedoch das Generieren von Bildern auf der Basis von Algorithmen. Bereits mit wenigen BASIC-Zeilen erzielt man auf dem KC 85 mit einer Folge von Sinus-Kurven ansprechende Ergebnisse. Schleifen und Zufallszahlen liefern verblüffende Effekte.

Einer der bekanntesten Vertreter ostdeutscher Digitalkunst ist Horst Bartnig, der 1985 seine erste Ausstellung mit Computergraphiken gestaltet. Gegenüber Jugend+Technik erläutert er dabei sein Vorgehen:

"Meine Vorstellungen vom Endprodukt, also der Grafik, ist meist sehr konkret. Da die Arbeitsmittel aus der bildenden Kunst nicht ausreichen, bedarf es einer aktiven Zusammenarbeit. Ich habe eine Idee und liefere eine Skizze mit dem darzustellenden mathematischen Bildungsgesetz. Die Programmierer versuchen dann, das Problem für die EDV-Anlage aufzubereiten. Wir arbeiten mit dem sowjetischen Großrechner BESM6. Nach der Berechnung erfolgt die zeichnerische Darstellung auf dem Plotter, dem elektronisch gesteuerten Zeichengerät Digigraf 1612. Der Digigraf wird von einer EC 1020 gesteuert. Natürlich bin ich dabei, wenn ein solches Bild entsteht. Das vom Plotter gelieferte Bild ist dann die Vorlage für die Umsetzung zur Druckgrafik. Mit diesem Gerät können allerdings nur Arbeiten aus Strichen bestehen. Flächen lassen sich nicht ausmalen, es sei denn, manuell. Strichverdichtungen sind möglich. Die Vorlagen kann man natürlich auch farbig drucken."

Auch bei Computern, bei denen man nur Buchstaben und Ziffern, aber nicht einzelne Pixel ausgeben kann, lassen sich Graphiken erstellen - die sogenannte ASCII-Art. Ausgiebig Gebrauch davon macht das Ehepaar Ruth Roma-Völz und Horst Völz. Sie als Künstlerin erschafft die Bilder mit einem Digitalisierungstablett; er entwickelt eine Software, um sie mit einer Breitwagen-Typenrad-Schreibmaschine mit Carbonband in einer Größe von bis zu A2 auszugeben. Zu sehen sind sie in bald fünfzig Ausstellungen in Kulturhäusern der DDR.

Für den Hacker-Krimi "Das todsicherere Ding" von Gert Prokop liefert Helmut Schwigon von der Burg Giebichenstein Halle Computergraphiken; der Umschlag mit dem berühmten Apfelmännchen stammt von der Akademie der Wissenschaften. Das gleiche Motiv, eine sogenannte Mandelbrot-Menge, die graphisch als faszinierendes Fraktal dargestellt wird, schmückt das Titelbild des Buches "Computer und Kunst" von Horst Völz. Für das 400x400 Punkte große Bild benötigt der PC 1715 satte 24 Stunden; und das auch nur, weil nicht mit BASIC, sondern mit Assembler gearbeitet wird. Auch auf dem KC ist das Apfelmännchen beliebt; allerdings in der Regel bei weniger Zyklen und damit kürzerer Rechenzeit.